Überwältigendes Interesse: „Haus- und fachärztliche Versorgung in Remseck“

150920 - Herbstfest 2015 017 HP KW 39 - 1Überwältigendes Interesse:

FDP Remseck: Nerv getroffen

„Haus- und fachärztliche Versorgung in Remseck“

„Berufsausübungsgemeinschaften sind oft der ‚Rettungsanker’, bevor das Licht ausgeht“, so Dr. Roland Kolepke auf die Frage und Situation, dass viele Praxen nach Ausscheiden des bisherigen Inhabers nicht mehr besetzt werden können. Junge Ärzte sehen sich bei der Überlegung, eine Praxis aufzubauen oder zu übernehmen vor mehreren Herausforderungen: Flexibilität in den Praxiszeiten, hohe Verschuldung mit ggf. mehreren 100.000 Euro und viel Verwaltungsarbeit in einer Einzelpraxis. „In einem Flächenort wie Remseck geht kein Weg daran vorbei, einzelne Standorte zusammen zu legen um effizienter und qualitativer zu arbeiten“, so der Arzt. Gleichzeitig kündigte er an, in der Cannstatter Str. in Remseck Aldingen spätestens im Frühjahr 2017 mit einer Großpraxis bisherige Arztpraxen (Drs. Grimm, Apelmann und eventuell Wirtz) zusammenzufassen.

Dass die FDP Remseck beim 15. Herbstfest mit dem Thema den Nerv der Bevölkerung getroffen hat, zeigt die Resonanz. Zudem erreichten die FDP Remseck im Vorfeld mehrere Mails und Anrufe verhinderter Personen mit Anfragen zum Thema. FDP Stadtverbandsvorsitzender Kai Buschmann konnte neben Dr. Kolepke auch den Arzt und Allgemeinmediziner Dr. Dieter Baumgärtner, einen gesundheitspolitischen Fachmann aus Bietigheim, sowie Remsecks Oberbürgermeister Dirk Schönberger genauso begrüßen wir gut 70 Gäste aus allen Remsecker Ortsteilen. „Das Modell des Hausärztesystems bröckelt im ortsteilorientierten Remseck“, so Buschmann. Die FDP Remseck ist bei allen Zentralisierungsaktivitäten weiterhin bestrebt, die hausärztliche Versorgung in den Ortsteilen nicht so einfach aufzugeben.

Oberbürgermeister Dirk Schönberger sprach den Anwesenden aus dem Herzen mit der Aussage: „Wenn die Gesundheit nicht stimmt, ist alles nichts“. Er verwies auf das Werben um Ärzte für Remseck im Internet. Unabhängig davon sei – auf Gesamtremseck bezogen – die ärztliche Versorgung gut. Das bestätige auch die Statistik der kassenärztlichen Vereinigung. Da liege Remseck bei einem Versorgungsgrad über 100%. Remseck sei dabei, sich eine Perspektive zu geben, hier setze er auf die Neue Mitte als zentral erreichbarer Punkt mit einem Haus für Ärzte.

Junge Ärzte „entängstigen“

Dr. Dieter Baumgärtner gab einen Einblick in die Verflechtungen der Gesundheitspolitik und die aktuelle Situation im medizinischen Bereich. Nur jeder zweite Hausarzt habe einen Nachfolger, es gebe unter den Existenzgründerärzten nur rund 27% Hausärzte, aktuell seien 70% der Allgemeinmedizinstudenten Frauen. Aus seiner Sicht sei das Vertrauensverhältnis Hausarzt – Patient durch die Budgetierungsvorgabe, die unter Gesundheitsminister Horst Seehofer begonnen wurde, nachhaltig gestört worden. Seine Nachfolgerinnen Fischer und Schmidt hätten das System im negativen Sinne perfektioniert. Junge Ärzte wollten in diesem System nicht mehr arbeiten. Es sei jetzt wichtig, bei jungen Ärzten die Angstspirale ‚fachlich kompetent?’, ‚wirtschaftliche Rahmenbedingungen?’ und ‚Verschuldung bei Investitionen?’ zu durchbrechen. Nur dann werden wieder mehr als 27% bereit sein, sich selbstständig zu machen. Seine Forderung: „Die Budgethaftung für Ärzte muss fallen“. Und – er warb dafür, Boni für junge Ärzte in dünn besiedelten Gebieten zu zahlen, wenn sie ansiedlungsbereit seien. Auch er sieht als Alternative zur selbständigen Praxis kein Weg vorbei an Medizinischen Versorgungszentren (MZV) oder Berufsausübungsgemeinschaften (BAG). „Sind Sie froh, dass einer da ist, der Ihnen die Ärzte reinsetzt“, schloss Dr. Baumgärtner seinen Vortrag.

Verständnis und Zuwendung

In der teils heftigen und deutlich offenen Diskussion beklagten sich mehrere Veranstaltungsbesucher darüber, dass in den Berufsausübungsgemeinschaften die Ärzte zu schnell wechselten, teilweise die deutsche Sprache zu wenig beherrschten, um einerseits zu verstehen – andererseits sich auszudrücken. Dr. Kolepke versprach, diese Anregung mitzunehmen, bat umgekehrt auch um Verständnis, den jungen Ärzten eine Chance zu geben. „Klar, wir brauchen gute Ärzte, gerade die MZV oder BAG seien Chancen, jemand in die Praxis des Hausarztes einzuführen, so dass er oder sie sich anschließend die Selbständigkeit zutraue. Auf die Frage, wieso die ehemalige Praxis Wirtz in Neckarrems geschlossen werden soll, meinte er, das letzte Wort sei da noch nicht gesprochen.
Eine längere Diskussion entspann sich übe der Frage, ob Hausärzte im Verhältnis zu Fachärzten schlechter bezahlt würden, wer die bessere Lobby habe und wieso das Verschreiben von gewünschten Medikamenten oft so schwierig sei. Auch wenn einerseits die eine oder andere Frage nicht abschließend geklärt werden konnte, konnten andererseits einige Hintergründe aufgeklärt werden. Nach der 90minütigen Vortrags – und Diskussionsrunde standen Dr. Baumgärtner und Dr. Kolepke noch zu Einzelgesprächen zur Verfügung – was reichlich genutzt wurde. Fazit: Das Thema: Gesundheitsversorgung in Remseck ist virulent und wird in den nächsten Jahren an Bedeutung gewinnen – die FDP Remseck stellt sich dieser Herausforderung.

Das Bild zeigt v.r.n.l. Dr. Dieter Baumgärtner, Oberbürgermeister Dirk Schönberger, Dr. Roland Kolepke und Diskussionsleiter und FDP Stadtverbandsvorsitzender Kai Buschmann