16. FDP Herbstfest in Remseck:
„Statt Dienstwagen: Überzeugungen hochgehalten“
Dr. Hans-Ulrich Rülke, FDP Fraktionsvorsitzender im baden-württembergischen Landtag nahm sich für Vortrag und Diskussion mit den Besuchern des 16. FDP Herbstfestes, darunter die FDP Bundestagskandidaten der Wahlkreise Ludwigsburg und Neckar-Zaber Stefanie Knecht und Marcel Distl, über 2 Stunden Zeit. FDP Stadtverbandsvorsitzender Kai Buschmann verriet schon bei der Begrüßung, dass Dr. Rülke eine Flasche Wein mit dem Namen „Paradox“ als Gastgeschenk erhalten würde, weil aktuelle politische Situationen doch eher paradox seien. Buschmann spielte dabei z.B. auf die „Geheimabsprachen“ führender Koalitionäre von grün/schwarz an der Öffentlichkeit vorbei an. Dr. Hans-Ulrich Rülke bezeichnete dies als „öffentlich ausgeübte Unmoral – die höchste Form der Machtausübung!“.
v.l.n.r. Kai Buschmann, (FDP Fraktionsvorsitzender Regionalparlament und Stadtverbandsvorsitzender), Dr. Hans-Ulrich Rülke (FDP Fraktionsvorsitzender im baden-württembergischen Landtag), Bundestagskandidatin Stefanie Knecht (WK Ludwigsburg), Bundestagskandidat Marcel Distl (WK Neckar Zaber)
Bundespolitische Einflüsse haben natürlich auch viel mit der Stimmungslage in Baden-Württemberg zu tun. Früher hieß es „Ihr“, wenn die FDP gemeint war, heute werden mit „Ihr“ die so genannten Altparteien gemeint. Denkzettel an andere zu verteilen ist paradox, ist ein Zeichen der Vertrauenskrise der Demokratie. Ohne im Bundestag zu sein, sei es für die FDP schwer, sich im öffentlichen Bewusstsein zu halten. Und Dr. Rülke machte klar: „Ich wäre gerne Wirtschaftsminister geworden, aber es ging und geht darum, unsere Themen umzusetzen.“ Die FDP habe nach der Wahl gehalten, was sie vor der Wahl versprochen habe und habe Überzeugungen nicht für Dienstwagen geopfert. Eine Regierungsbeteiligung der FDP hätte bei zu viel Harmonie zu der Situation geführt, vorgeworfen zu bekommen, nichts umzusetzen oder aber bei Zoff, öffentlich sich anhören zu müssen, den „Philosophenkönig der Grünen“ zu stören.
Recht locker zeigte der FDP Fraktionsvorsitzende im baden-württembergischen Landtag in verschiedenen Themengebieten die veröffentlichen Informationen im Kontrast zu den tatsächlichen Vorgängen. So wurde der viel gelobte konsolidierte Landeshaushalt von grün/rot entlarvt, weil nun unter grün/schwarz von einem strukturellen Defizit von nahezu 2 Mrd. gesprochen werde. Und in einer Situation, in der die Steuereinnahmen 2016 um ca. 12 Mrd. Euro höher sind als 2010 im Land, macht die Landesregierung immer noch Schulden. statt solche mit Augenmaß abzubauen. Von Mappus zu Kretschmann stiegen die Stellen im Staatsministerium von 200 auf 270, im Verkehrsministerium müsste man auch nicht nahezu jeden Parkschützer mit einem Posten versorgen. Das sei reine Klientelpolitik. „Superminister“ Strobl erhalte nun einen ‚Aufpasser‘ aus dem Hause Schäuble in Berlin und dafür muss das Landesbesoldungsgesetz geändert werden. Dr. Rülke mutmaßt: „ Herr Strobl wird am Ende so erfolgreich sein wie Nils Schmidt es war“. Wie eigene Klientel durchgesetzt wird, zeigte sich auch beim Regierungspräsidentenwechsel, als zwei erfolgreiche Regierungspräsidenten ausgetauscht wurden, um grüne und schwarze Parteigänger auf die Posten zu hieven.
Die Geheimabsprachen seien auch ein Beweis für den Widerspruch von veröffentlichter Information und echten Vorhaben. So werde entgegen dem Koalitionsvertrag die Zahl der Gerichte doch verringert (durch Zusammenlegung von Gerichtsstandorten), es sei weiter beabsichtigt, die Grunderwerbssteuer auf 6,5% zu erhöhen, was es künftigen Immobilienerwerbern noch schwieriger mache, neben der seit März 2016 geltenden Kreditvergaberichtlinie. Dabei stelle die eigene Immobilie eine der zentralen Säulen der staatsunabhängigen Altersversorgung dar. Bei der zentralen Herausforderung im Land, der inneren Sicherheit, bleibt vom CDU Wahlkampfversprechen „freiwilliger Polizeidienst“ nach grüner Leseart übrig: ohne Uniform, ohne Waffen. Neue E-Mobilitäts-Polizeifahrzeuge werden ohne Blaulicht und Martinshorn ausgeliefert, weil man befürchtet, dass sich der Akku zu schnell leert. Die Forderung von Innenminister Strobl, die Bundeswehr und Polizei im Innern einzusetzen, lenke von den eigentlichen Herausforderungen ab und sei ein Placebo. Richtig sei es, mehr Polizisten einstellen.
Dr. Rülke fasste zusammen: Gesetze bisher: Fehlanzeige, Veränderungen bisher: Fehlanzeige. Dafür das Schielen des Ministerpräsidenten auf den Bundespräsidentenposten. Zu berichten sei nur von Mauscheleien, Personal- und Klientelversorgung und Machtausbau.
In der Diskussion wurde – auf das Thema Schulpolitik angesprochen – festgestellt, dass im Grunde die grün/rote Bildungspolitik fortgesetzt werde. Die CDU habe vom Wahlkampfversprechen keine neuen Gemeinschaftsschulen (GMS) zuzulassen, Abstand genommen, auch die Beschränkung auf max. 10 GMS mit Oberstufe stehe so nicht im Koalitionsvertrag. Die CDU hat eine Kultusministerin gesucht, die die bisherige grün/rote Schulpolitik fortsetzt. Dies sei eine vollkommene Kapitulation der CDU Schulpolitik im Vergleich zum CDU Wahlkampf. Die FDP stehe weiterhin für die Abschaffung der Privilegierung der GMS, ein dreigliedriges Schulsystem, gleiche Chancen für alle – auch für die Realschulen und beruflichen Gymnasien.
Dass kein Grüner bei dem für die Landespolitik bedeutsamen Termin der Grundsteinlegung zu S 21 war, zeige mit Blick auf den Ministerpräsidenten, dass er zwar sage, dass er das Ergebnis der Volksabstimmung akzeptiere, letztlich jedoch entgegen seiner eigentlichen Amtspflicht hier Ministerpräsident nur seiner Klientel sei und nicht aller Baden-Württemberger.
Gegen Ende der Diskussion entspann sich noch eine interessante Schleife zum Thema der Glaubwürdigkeitskrise der Demokratie. Der Begriff „Lügenpresse“ stehe als Synonym dafür. Wichtig sei, dass „check and balances“ funktioniere und nicht der Eindruck sich verfestige: „Wir können doch eh nichts gegen die machen“. Auch die programmatische Aufstellung der FDP wurde thematisiert. Die Diskussion ergab, dass es einen Unterschied zwischen Parteiprogrammatik (die inhaltlich zu allen Themen Ansätze aufzeigen müsse) und Kommunikationsebene (Themenzuordnung im Bewusstsein) gebe. Während also die Parteiprogrammatik den gesamten Kanon an Themen berühre, werde z.B. im Wahlkampf auf Kompetenzzuschreibungsthemen verengt.